Geschätzte Wiener Grüne,
ich möchte anlässlich der in jeder Hinsicht mühevollen Debatte rund um die neue Un-Fußgängerzone in Wien auf einen Aspekt hinweisen, der für die Allgemeinheit völlig irrelevant, für eine bestimmte Berufsgruppe ohne jegliche Lobby jedoch immanent wichtig ist, nämlich die der MusikerInnen.
(In meinem Weltbild sind Frauen und Männer gleichwertig und gekünsteltes „Gegendere“ überflüssig, ich verzichte daher in der Folge darauf.)
Ich beziehe mich hierbei weder auf klassische Musiker, die im Optimalfall mit einem Flötenetui unterm Arm, im schlimmsten Fall mit einem Cellokoffer auf dem Rücken per U-Bahn zum Musikverein oder Konzerthaus unterwegs sind (Kontrabässe, Harfen und ähnliches Großgepäck werden zumeist von den Orchestern transportiert), noch auf Popstars, die auf dem Weg zur Arbeit ganze Speditionen auslasten.
Ich spreche von der weit größeren Gruppe von Musikern, die ihr geradezu obszön bescheidenes Einkommen damit erwirtschaften, in größeren Städten von Lokal zu Lokal zu tingeln, um für unglaublich geringes Honorar ihr künstlerisches Schaffen zu präsentieren. Die meisten von ihnen benötigen dafür Instrumente und verwandtes Equipment. Damit ist nicht der Junge mit der Wandergitarre am Schnürsenkel gemeint und auch nicht die Irish Folk-Geigerin. Sondern Schlagzeuger, Gitarristen, Keyboarder, deren Arbeitsgerät einen ausgewachsenen Kombi-PKW zur Gänze ausfüllt. Bands, die komplette Beschallungsanlagen selbst mitbringen müssen.
Es ist vollkommen ausgeschlossen, derartiges Equipment mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu transportieren. Man fährt daher seit jeher mit dem Auto zum Konzert, stets in der naiven Hoffnung, beim Ein- und Ausladen nicht von eifrigen Exekutivbeamten belangt zu werden und einen einigermaßen nahe gelegenen Parkplatz zu finden.
Bedingt durch das, was die herrschende Klasse „Parkraumbewirtschaftung“ zu nennen pflegt, ist Livemusik seit langem nur mehr durch andauernde Gesetzesübertretung möglich, denn mit den großteils erlaubten zwei Stunden Kurzparkzeit vor 22 Uhr geht sich kein Auftritt aus. Man schreibt also eifrig einen Parkschein nach dem anderen, die „Organe“ drücken dabei bekanntlich beide Augen zu, denn der Umsatz stimmt ja. Auf diese Weise fließt oftmals ein solide zweistelliger Prozentbetrag des eingespielten Honorars gleich in die Parkgebühren. Das ist keinesfalls eine Übertreibung, Musikern wird hierzulande in der Clubszene wirklich so wenig bezahlt.
Nun kommt ein neuer Faktor ins Spiel: durch verkehrsberuhigte Bereiche und Fußgängerzonen (auch richtige) werden immer mehr Schneisen durch die Stadt geschlagen, die mit privaten Autos effektiv nicht mehr erreicht werden können/dürfen. Vormittägliche Ladezeiten sind dabei unerheblich, denn wir laden für gewöhnlich am frühen Abend aus und mitten in der Nacht wieder ein – und könnten dazwischen sowieso nicht wegfahren. Überaus selbstbewußte Statements gewisser Bezirkspolitiker lassen auf den zukünftigen Kurs schließen: Autofahrer sollen einfach nicht „hier“ fahren, sondern halt „woanders“. Unglücklicherweise befinden sich gerade Livemusik-Venues zumeist nicht „woanders“, sondern in genau jenen Stadtbereichen, die von übermäßigem (oder gleich allem) Straßenverkehr befreit werden sollen.
Daraus ergibt sich eine simple Frage: wie soll ich als Musiker mit einem knappen Kubikmeter Instrumenten, Verstärkern und Zubehör zu meinem Auftrittsort gelangen, wenn ich dort nicht nur nicht parken, sondern gleich gar nicht hinfahren darf? Selbst das trendige Lastenfahrrad scheidet als Alternative aus. Soll ich mir vielleicht jedesmal ein Taxi bestellen? Lokalbetreiber (das sind die mit den stets freifallenden Umsätzen, die mittlerweile bereits über Freigetränke diskutieren, nachdem man ohnehin gegen FREIE SPENDE(!) gespielt hat) werden mir die Fahrtkosten sicher gerne ersetzen…
Wir Musiker sind eine für die Politik außerhalb unsäglicher Wahlkampfveranstaltungen und feierlicher Eröffnungen absolut wertlose Menschengruppe; zu wenige, latent renitent, ohne Lobby im Rücken, vorallem aber finanziell impotent. Dennoch bringen wir eine hochspezialisierte Leistung in die Gesellschaft ein, die sehr vielen Menschen abgehen würde – allerdings erst, wenn sie vom Erdboden verschwunden wäre. (Woran unsere selbsternannte Kulturnation ja auch mit großem Eifer arbeitet.) Auf strategisch/langfristiger Ebene wird zumindest am Rande darüber diskutiert – Die Unebenheiten in Österreichs Medienlandschaft und Förderwesen sind wohlbekannt und –benannt. Was ist aber mit kleinen, banalen Problemchen wie diesem: wenn die Stadt autofrei wird, kann ich meinen Auftrittsort nicht mehr erreichen?
Was sagt Ihr dazu, geschätzte Wiener Grüne?
Mit freundlichen Grüßen
Alex K. Yoshii